Sie ist störrisch, widerborstig, stur, empfindlich wie
eine Mimose, zickig…. mit anderen Worten:
eine äußerst schwierige Mitbewohnerin und alles andere
als umgänglich.
Nun habe ich wochenlang versucht, ihr wieder ein
manierliches Aussehen zu geben…denn sie war ja recht heruntergekommen; habe sie
von ihrem staubigen Keller-Dasein erlöst, ihr einen Platz im Licht verschafft
und dafür andere Mitbewohner der Familie Brother erst einmal ins Exil verbannt,
nur damit sie für ihre ausladenden Maße ausreichend Platz hat. Und? Was ist der Dank dafür????
Sie sperrt sich!
Sie verweigert den Dienst!
Sie lässt
Maschen fallen, wann immer es ihr passt und ist nicht einmal Willens, mir zu
sagen, warum sie das tut.
Liebevoll und sanft löste ich ihre Roststellen, streichelte
sie mit weichen Lappen, um die alte, stinkende, schwarze Schmiere zu entfernen, cremte sie mit
Maschinenfett ( eines, das sie kennt, wohlgemerkt), säuberte Schrauben und 790
Nadeln, tauschte alle Nadeln aus, die nicht mehr in Ordnung sind, und die haben
eine Menge Geld gekostet. Rannte mir die Hacken ab, um Drähte für Maschenkämme
zu finden, habe mit Gott und der Welt telefoniert, um an passende Deckerkämme,
Maschenkämme, Gewichte und sonstiges Zubehör zu kommen…ganz zu schweigen von einer
Anleitung, die mir Einblick in ihren tiefen Geheimnisse gewähren könnte. Fand eine Frau
in Deutschland, die sich bestens mit den Damen Hertel & Richter auskennt
und die mir telefonisch zur Seite steht, wenn’s brennt....und es brennt ständig!
Außerdem bekommt sie endlich mal bestes Material zu stricken
und nicht, wie in den 60ern üblich, reine Polyacryl Garne.
Trotzdem… es ist nichts zu machen.
Ok! Fehlerfreie Probeläppchen gestattet sie, auch in
verschiedenen Techniken.
Doch wenn es darum geht, ein ganzes Vorder- oder
Rückenteil zu stricken, macht sie einfach nicht mit. Sie will nicht.
Denkt sie vielleicht, ihr Ruhestand war verdient und sie
sei jetzt einfach so weit, nie wieder arbeiten zu müssen???? Hat sie Recht???
Muss man in ihrem Alter noch schuften??? Leider gibt sie mir keine genaue
Auskunft über ihren Jahrgang, aber irgendwas um 1950 müsste es sein. Bei meinen
ersten Nachforschungen dachte ich, sie sei in den 1920ern geboren, aber diese
Annahme musste ich revidieren. Und wenn sie Jahrgang 1950 ist, dann ist sie
mal eben läppische 4 Jahre älter als ich und hat, rein theoretisch, noch gar kein Recht auf
Rentner- Dasein. Ich arbeite doch auch noch. Bis 67!!!!! ( oder auch nicht J
)
Also….was tun????
Gemäß dem Wahlspruch meiner Mutter: „Nur kein Wasser
geben, die kommt von selber wieder zu sich“ strafe ich Frau Hertel nun mit
Ignoranz…jedenfalls für ein paar Tage.
Die Mitglieder der Familie Brother danken mir die zurückgewonnene Aufmerksamkeit und strengen sich mächtig an, mir was Brauchbares von der
Maschine zu werfen. Wenigstens ist auf diesen Teil der Familie Verlass.
Meinen liebevoll für sie erdachten Namen "Oma Hertel" habe ich mittlerweile wieder gestrichen. Ein distanziertes "Frau Hertel-Richter" ist zur Zeit mehr als genug.
Wenn sie zickt, darf ich das doch auch, oder?
Das ist sehr schade, das die alte Dame so störrisch ist. Meistens liegt der Fehler im Detail und bei so vielen Versuchen, übersieht man oft einen Kleinigkeit.
AntwortenLöschenIst der ehemaliger Besitzer dieser Schönheit noch erreichbar und kann evtl. mit einer Erklärung helfen?
Liebe Grüße aus der Eifel
Moni
Hallo Moni,
AntwortenLöschenDanke für dein Mitgefühl. So tierisch ernst hab ich es ja nicht gemeint und ich lasse mich auch auf keinen Fall dauerhaft einschüchtern....ich bin nämlich auch ein Dickkopf :-)
Der ehemalige Besitzer ist noch zu erreichen und wird auch demnächst bei mir vorbei kommen, damit wir mal rausfinden, wo die Ursachen liegen. Vermutlich steht der Fehler ( wie immer) vor der Maschine.
liebe Grüße
Ingrid